Die Pfarrkirche Hl. Familie Rott
Die alte Kirche St. Johann war im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu klein geworden und auch einige Male, allerdings immer ungenügend, erweitert worden. Nach der Erweiterung von 1724 und der Umgestaltung 1780 klagte im Jahr 1842 der damalige Pfarrer schon wieder, dass die Kirche zu klein sei. Rott hatte damals ca. 350 Einwohner.
Pfarrer Vidal nahm 1930 bei etwa 600 Seelen in Rott den Kampf um eine Erweiterung erneut auf. Neun Jahre später lagen bereits Pläne, ja sogar ein Modell für einen Anbau an die alte Kirche vor, doch der Beginn des Zweiten Weltkrieges ließ alles im Sande verlaufen.
Das Problem spitzte sich zu, als im April 1946 über 325 Heimatvertriebene die Bevölkerungszahl in Rott rapide wachsen ließ.
Auch Pfarrer Baumgartner – von 1953 bis 1885 in Rott – tat sich anfangs trotz der nun 900 Seelen schwer, die Rotter von einem notwendigen Kirchenneubau zu überzeugen und sie zu schweren finanziellen Opfern zu bewegen. Als er durch Sammlungen – er ging persönlich von Haus zu Haus – und durch einen Zuschuss der Gemeinde einen Grundstock an Finanzen zusammen hatte, konnte die Planung beginnen. Im 11. Oktober 1963 erfolgte der erste Spatenstich.
Anfangs November 1963 begannen die Bauarbeiten nach den Plänen des Architekten Adolf Kreuzer und dank der fleißigen Maurer wuchsen die Mauern in diesem Jahr noch bis zu dem Betonband, das unsere Kirche in der Mitte durchzieht. Der Kran stand in der Mitte des Hauptschiffes, der gesamte Beton wurde damals noch an der Baustelle gemischt Am 21.12.1963 war bereits feierliche Grundsteinlegung, im Juni 1964 war „Hebauf. Am 10. Januar 1965 wurde die neue Kirche durch Diözesanbischof Dr. Josef Stimpfle eingeweiht, Pfarrer Baumgartner hatte sein Werk vollbracht und die jahrhundertelange Raumnot war damit beendet. In dem schönen weiten Raum kann heute jeder einen Platz finden.
Der Platz für die neue Kirche war 1961 durch die Kirchenverwaltung zu einem kulanten Preis von Josef Pössinger und Michael Fernsemer erworben worden. Große Debatten um den Standort der neuen Kirche gab es nicht, denn bereits im Jahr 1953 hatte die Gemeinde einen neuen Friedhof am damals westlichen Ortsrand angelegt. Der niedrige Turm mit Glockengeschoß sollte bewusst dem alten Kirchturm nicht Konkurrenz machen. Zwischen der Sakristei, dem Seitenschiff, dem Turm und der Friedhofsmauer ergab sich ein einladender Innenhof.
Vorbild Hl. Familie
Unsere neue Kirche trägt den Titel „Heilige Familie“. Die Familie ist die kleinste und schönste Gemeinschaft, die es gibt. Vater, Mutter und Kinder sind durch das Band des Blutes und der Liebe miteinander verbunden. Als großes Vorbild der christlichen Familien leuchtet durch alle Jahrhunderte die Heilige Familie von Nazareth.
Der Titel unserer Kirche soll uns nicht nur daran erinnern, dass vor vielen hundert Jahren einmal eine Familie lebte, außerordentlich durch die Heiligkeit ihrer Glieder, außerordentlich durch die Aufgaben, die ihr gestellt wurden, außerordentlich durch das Schicksal, dem sie auf ihrem Weg begegneten. Diese Heilige Familie will für uns Gegenwart werden. In ihrem Licht sollen wir unsere eigenen Familien sehen und uns fragen: „Besteht eine Ähnlichkeit zwischen der Heiligen Familie und meiner Familie?“
Es ist nicht einerlei, ob unsere Familien der von Nazareth ähnlich sind, oder nicht. Von dieser Ähnlichkeit hängt es ab, ob sie zum Fortschritt oder Fall ihrer Glieder wird. Im äußeren Lebensstil kann sie für uns gewiss kein Vorbild sein, denn es liegen fast 2000 Jahre zwischen ihr und uns. Aber der Geist von Nazareth, das seelische Klima der Heiligen Familie, ist auch für uns heule beispielhaft. Hier finden wir die Liebe als prägende Kraft: Bei Jesus, der aus selbstloser Liebe Mensch geworden ist und alle Härten des Menschseins auf sich nahm:
Bei Maria, der demütigen Magd des Herrn und der dienenden Mutter des Heilandes: Beim heiligen Josef, den Gott selbst einen Gerechten nannte, weil ihm das Wohl der anderen vor allem am Herzen lag. Weder das rein natürliche Wissen um die Familie, noch die rein natürliche Reform an der Familie reichen aus, sie zu dem zu machen, was sie sein soll. Dafür brauchen wir das Vorbild, das uns die Patrone unserer Kirche zeigen.
Machen wir das wichtige Anliegen der Verchristlichung unserer Familien oft zum Gegenstand unseres Nachdenkens und Betens. Und wenn es uns gelingt, einen Schritt weiterzukommen, dann hat sich alles Opfer, das ihr für die Kirche gebracht habt, mehr als gut verzinst. Dann habt ihr euch und der Kirche einen großen Dienst erwiesen, denn der wirksame Versuch, alles in Christus zu erneuern, muss bei der Familie beginnen.
(nach Pf. Baumgartner)
(Kreuzweg von Wolfgang Hildebrandt, Dießen, Altarbild von Helmut Kästl, Schongau)
Zur Theologie unserer Kirche
Wer durch das Hauptportal die Kirche betritt, dessen Blick streift zuerst unwillkürlich über die Nordwand der Kirche. Er entdeckt dort einen Kreuzweg in einer wuchtigen Größe, eigenwillig gestaltet als Gesamtkomposition statt einzelner Stationen.
Christus, der sein Kreuz trägt, will uns Vorbild sein in allen Nöten und Lasten des Lebens. „Wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz und folge mir nach!“ Wie jedes menschliche Leben mit dem Grab für diese Welt abgeschlossen wird, so endet auch dieser Kreuzweg mit der Grablegung Jesu.
Doch Golgotha und das Grab sind nicht das Ende. Der Blick des Beschauers geht weiter und wird gefangen von der Größe, der Mächtigkeit und Farbigkeit des Altarbildes in der Konche hinter dem Altar. Hoch ragt das Kreuz vom Boden bis zur Decke. Aus dem Kreuz von Golgotha, dem Kreuz der Schmach und der Schmerzen ist nun das triumphale Siegeszeichen geworden. Das Kreuz ist Lebensbaum geworden. Es mündet nach oben in die achtstrahlige Sonne, das Symbol für Glückseligkeit, für Gott.
Der thronende Christus, machtvoll in weißer Farbe, ist hier der Herr über den Tod, der Sieger am Kreuz. Mit seiner Rechten weist er nochmals zurück auf den Kreuzweg und das Lamm, das seinen Opfertod bedeutet. Unsichtbar stehen über allem die Worte des Herrn: „Musste Christus nicht das alles leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?“
Wie der Künstler schreibt, dachte er bei der Gestaltung dieser imposanten Freskowand auch an die Stelle im Matthäusevangelium, in der es heißt: Dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen… und sie werden den Menschensohn kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit.
Und unser Blick sollte noch weiter wandern zum Ambo. In Bronze gestaltet ein Engel, der uns verkündet: Er ist auferstanden. Ja, er will uns zurufen: Auch dein Grab wird sich öffnen, auch du wirst auferstehen! Dies ist die frohe Botschaft, die hier vom Ambo aus verkündet wird.
Der Kreuzweg
Wenn einigen Rottern an der neuen Kirche etwas nicht gefallen hat, dann war es am ehesten der modern gestaltete Kreuzweg. Dreierlei war und ist für die Betrachter auffallend: statt einzelner Stationen eine Gesamtkomposition, aufgeteilt auf drei Bilder in einer wuchtigen Größe von ca. 10 m². Zum Zweiten die moderne, etwas abstrakte Darstellung der Personen und die Verschmelzung einzelner Stationen und schließlich statt des dornengekrönten Christus ein Christus im Dornbusch.
Das aufmerksame Auge kann das Motiv des Dornbuschs verfolgen von der Verurteilung Jesu vor Pilatus, über alle Stationen hinweg bis zur Grablegung.
Die Darstellungen sind künstlerisch auf das Wesentlichste beschränkt. Klar und überschaubar ist der Opfergang Jesu herausgearbeitet, keine Landschaft und kein Hintergrundbild lenken vom Inhalt des Kreuzweges ab.
Der Künstler nennt das Motiv des Dornbusches einen „versöhnenden Gedanken und ein Zeichen der Vorbestimmung“. Der Kreuzweg soll nicht allein Klage und Schmerz ausdrücken und die Karwoche über das ganze Jahr ausdehnen, sondern er soll uns den Trost des von Gott gewollten Erlösungsopfers vermitteln.
Aus dem Dornbusch gab sich Gott dem Mose zu erkennen als der Gott, der den Bund mit dem Geschlecht Abrahams will, als der Gott mit dem Namen „Ich bin da“, – der „Ich bin da“, auch in Kreuz und Leid.
Jesu Leiden und Tod lässt diesen Bund für uns neu erstehen. Es war vorherbestimmt, dass Jesus als Erlösungstat für uns Menschen den Kreuzestod erleidet. Der Dornbusch stellt also einerseits durch die Dornen das Leid Christi dar, tröstlich aber andererseits treibt der Busch aus, er beginnt über dem Grab zu grünen. Das ist das Zeichen der Hoffnung und des neuen Lebens, das Jesus uns geschenkt hat. Und so mündet der Kreuzweg ins Altarbild, in den Lebensbaum, aus dem ebenfalls grüne Blätter der Hoffnung sprießen.
K. Erhard
(Quelle: Festschrift zur Einweihung der Kirche Hl. Familie, 1965)