Die Ottilienkapelle in Rott

Die Kapelle An genau diesem Platz am nördlichen Ortsende von Rott soll schon im Mittelalter, eine alte, vermutlich hölzerne Einödkapelle gestanden sein. Abt Paulus II. von Wessobrunn ließ diese alte Holzkapelle abbrechen und am gleichen Platz eine neue in Stein aufbauen. Am 13. August 1483 erhielt sie die kirchliche Weihe.

Die an der Westseite mit Schindeln abgedeckte Kapelle mit Dachreiterturm und Zwiebelhaube zeigt von außen noch heute den gotischen Baustil in den Strebepfeilern zu beiden Seiten am Chorraum. Das Kirchlein war die ganze Zeit bis zum Jahr 1960 noch mit einer Umfassungsmauer umgeben, so dass zu vermuten ist, dass einmal ein Friedhof vorgesehen war.

Um 1775 erhielt das Kirchlein durch einen Umbau die heutige Gestalt. Ursprünglich waren im Inneren drei Altäre aus Stuckmarmor vorhanden, heute steht nur noch der Hauptaltar. Unter Abt Engelbert Goggl (1770-1781) erhielt unsere Kapelle ihre herrliche Rokokoausstattung. Wie in der Kirche St. Johann hat sich der Abt auch hier mit seinem persönlichen Wappen im Chorbogen verewigt.

Johann Michael Merk aus der Wessobrunner Schule, zugleich Postwirt von Rott, schuf die hervorragenden, zierlichen Stuckarbeiten, zart in malachitgrün gefasst.

Eine Kostbarkeit, das Deckengemälde im Chorraum, stellt die Taufe der hl. Ottilie dar und stammt vom Meistermaler des Rokoko, von Matthäus Günther, geb. 1705 in Tritschenkreut bei Peißenberg. Das Langhausfresko schuf 1823 Sebastian Jaud aus Haid bei Wessobrunn. Es ist nicht so gut erhalten, bereits mehrfach übermalt und zeigt die Heilung des Blindgeborenen durch Christus und die hl. Ottilie als Helferin der Blinden.

Bemerkenswert sind an den beiden Hohlkehlen der Decke die symbolhaften Darstellungen der vier Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Starkmut.

Von den anstelle der Seitenaltäre in die Wand eingelassenen Leinwandbildern aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde eines entwendet und 1983 wieder ersetzt. Es zeigt das Martyrium des hl. Andreas. Auf dem alten Bild rechts sind die 14 Nothelfer zu sehen.

Die Patronin des kleinen Gotteshauses, die hl. Ottilie, ist dargestellt in einer bemalten Holzfigur aus der Zeit um 1483 im Aufbau des Hauptaltars. Das Gnadenbild zeigt die Schutzheilige bei Augenleiden als Äbtissin, sitzend mit Äbtissin-Stab und ihren Insignien, einem aufgeschlagenen Buch mit zwei darauf liegenden Augen.

Hier finden sich auch die Bildnisse anderer Schutzheiliger, zu denen man gern Zuflucht nahm. So ist im Auszug des Altares oben ein Bild des heiligen Leonhard zu sehen, der von den Bauern immer schon als Schutzherr verehrt wurde. An den Seiten des Altares stehen zwei große wertvolle Figuren von Xaver Schmädl aus Weilheim, es sind die Heiligen Simon und Philippus. Zwischen den Leuchtern sind noch der hl. Florian und der Pestheilige Sebastian dargestellt.

Die hl. Ottilia

Die hl. Ottilie gilt als Schutzheilige der Blinden und Augenkranken. Sie kam als Tochter des Herzogs Attich von Elsaß um das Jahr 660 blind zur Welt und wurde bei der Taufe durch Bischof Erhard von Regensburg durch ein Wunder sehend. Nachdem sie Nonne geworden war, gründete sie ein Kloster und wurde Äbtissin. Heute gilt sie als Patronin des Elsaß, ihr Fest wird am 13. Dezember gefeiert.

Auch in unserer Gegend wurde die Heilige vor allem bei Augenleiden, aber auch bei Viehseuchen angerufen. Als Zeugnisse von früheren Wallfahrern und Gebetserhörungen sind heute noch einige gerahmte Votivtafeln an den Wänden der Kapelle zu sehen. Sie künden von der Frömmigkeit unserer Vorfahren, die in Krankheit und Not gerade in Wallfahrtsorten Zuflucht und Trost gesucht haben.

Eine der drei heute noch erhaltenen Tafeln kündet von einem Wunder mit einem blinden Kind aus Dießen: „Im Jahre 1699 den 6ten September verlobte sich Johannes Greinwoldt, Bürger zu Bayerdiessen und Meßner zu St. Johann samt seiner Hausfrau Sabina wegen ihres blinden Kindes Maria hierher zur hl. Ottilia, um durch ihre Fürbitte bei Gott das Licht der Augen zu erhalten. Der allmächtige Gott erhörte das Flehen der Eltern und die Fürbitte der heiligen Jungfrau Ottilia, indem er dem Kind das Augenlicht wieder gab.“

Die heilige Ottilie half auch bei Viehseuchen, und das kleine Kirchlein mit seinen acht Männer- und zehn Frauenbänken musste früher oft viele Wallfahrer aufnehmen.

Wegen der vielen Vermächtnisse aus Gebetserhörungen war die Ottilienkapelle finanziell früher immer besser gestellt als die Pfarrkirche St. Johann, die 1904 bei einer Renovierung sogar von St. Ottilia ein Darlehen von 2500 Mark aufnahm.

Nach Renovierungen von 1931 und besonders von 1975 – 1983 unter Pfarrer Baumgartner befindet sich die Kapelle heute in einem guten Zustand. Zwei- bis dreimal im Lauf des Kirchenjahres ruft das kleine Glöcklein zum Gottesdienst. Aber nicht nur wegen ihres Alters und ihrer Schönheit soll uns Rottern die Kapelle wertvoll und heilig bleiben, sondern besonders auch wegen der heiligen Ottilie, – kamen doch die vergangenen 500 Jahre unzählige Menschen mit ihren Sorgen, Leiden und Nöten und suchten und fanden hier Trost und Hilfe.

K. Erhard (1992)


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